Eine kurze Betrachtung des Kerns der wissenschaftlichen Anlageberatung genügt, um das Konfliktpotenzial zur herkömmlichen Finanzberatung zu erkennen. Die zentrale Botschaft der wissenschaftlichen Anlageberatung lautet, überdurchschnittliche Renditen können nur dadurch erzielt werden, indem man Depots überdurchschnittlichen Marktrisiken aussetzt. In dieser Lesart ist eine überdurchschnittliche Rendite nichts anderes, als die Entlohnung des Marktes für das Eingehen höherer Risiken. Mit irgendwelchen besonderen Fähigkeiten begnadeter und darum extrem gut bezahlten Fondsmanagern oder Berater hat dies indes nichts zu tun. Es handelt sich hier um Spekulation. In diesem Modell geht es einzig darum, beim Kunden eine Emotion oder einen Bedarf zu wecken, um dann im zweiten Schritt eine dazu passende Produktlösung verkaufen zu können. Welche sich besonders für das vermittelnde Unternehmen rechnent. Die vermeintliche Beratung des Kunden ist in diesem Modell im Grunde nichts anderes als ein geschickter Produktverkauf.
Bei der wissenschaftlichen Anlageberatung ist es im ersten Schritt die Aufgabe des Beraters, diesen Sachverhalt seinen Mandanten aufzuzeigen. Im zweiten Schritt wird mit ihm sein Sicherheitsbedürfnis sowie seine Zielvorstellungen ermittelt, um hierauf abgestimmt einen prognosefreien Finanzplan zu erstellen, bei dem es erst im dritten Schritt um geeignete Produkte geht. Des Weiteren ist es seine Aufgabe dem Mandanten kontinuierlich dabei zu helfen die gesteckten Ziele zu erreichen. Dabei ist es nur von Zeit zu Zeit nötig, unabhängig von den Marktgeschehnissen ein Rebalancing (Umschichtungen) vorzunehmen, um in sicherem Fahrwasser zu bleiben. Es geht bei dieser Form der Beratung nicht um das Orakeln von Märkten, sondern um die Bedürfnisse der Mandanten. Dies ist eine sehr beruhigende und befreiende Art des Sparens. Ziel soll es dabei sein, das Leben zu genießen und sich nicht ständig Sorgen um das Ersparte zu machen. Lassen Sie die Hektik der Finanzmärkte hinter sich. Sie können sie eh nicht beeinflussen.
Diese Art der Finanzberatung entmachtet in gewisser Weise die Produktanbieter. Dass diese Sichtweise bei der herkömmlichen Finanzindustrie nicht nur Zuspruch findet, sondern ein gewisses Konfliktpotenzial birgt, liegt wohl auf der Hand.
Lesen Sie hierzu bitte im Infobereich den Artikel Portfoliotheoretische Hintergründe von Prof. Dr. Stefan May